WEKO konkretisiert Regeln zur relativen Marktmacht
Kurz bevor am 1. Januar 2022 die neuen Vorschriften im Kartellgesetz zur "relativen Marktmacht" in Kraft treten, haben die Wettbewerbsbehörden ein Merkblatt und ein Meldeformular dazu veröffentlicht.
Publiziert: 15 Dezember 2021
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Publiziert: 15 Dezember 2021 | ||
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Marcel Meinhardt |
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Astrid Waser |
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Benoît Merkt |
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Sevan Antreasyan |
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Competition and Regulated Markets |
Einleitung
Im März 2021 hat das Parlament den Gegenvorschlag zur sogenannten Fair-Preis-Initiative angenommen. Dieser enthält insbesondere Bestimmungen im Kartellgesetz ("KG") zur "relativen Marktmacht", die per 1. Januar 2022 in Kraft treten. Nun hat das Sekretariat der Wettbewerbskommission ("WEKO") (unter Kenntnisnahme der WEKO) ein Merkblatt und ein Meldeformular zu diesen Bestimmungen veröffentlicht.
Pro Memoria: Konzept "relative Marktmacht" und Ziel des Merkblatts
Das Konzept der relativen Marktmacht dehnt die bisher nur für marktbeherrschende Unternehmen geltenden Missbrauchsverbote wie z.B. die missbräuchliche Lieferverweigerung oder Preisdiskriminierung (vgl. Art. 7 KG) auf "relativ marktmächtige" Unternehmen aus.
"Relative Marktmacht" liegt vor, wenn ein Geschäftspartner in Bezug auf die Nachfrage oder das Angebot einer Ware oder Leistung von einem anderen Unternehmen "abhängig" ist, also
keine "ausreichende" und "zumutbare" Ausweichmöglichkeit besteht.
Anders als marktbeherrschende Unternehmen können relativ marktmächtige Unternehmen für den Missbrauch einer relativ marktmächtigen Stellung nicht direkt sanktioniert werden. Jedoch besteht für solche Unternehmen das Risiko von kartellrechtlichen Untersuchungen und Zivilklagen.
Mit dem Merkblatt und dem Meldeformular versuchen die Wettbewerbsbehörden die auslegungsbedürftigen Regeln zu konkretisieren.
Übersicht über die materiellen Vorschriften und erste Auslegehilfen
Das Merkblatt enthält zum einen einige grundsätzliche Ausführungen zum Konzept der relativen Marktmacht und zu den materiellen Vorschriften.
So stellen die Wettbewerbsbehörden klar, dass sich nur Unternehmen (und nicht etwa Konsumenten) auf die Vorschriften berufen können und fassen kurz zusammen, welche Verhaltens weisen für relativ marktmächtige Unternehmen unzulässig sind.
Weiter konkretisiert die WEKO, wann Ausweichmöglichkeiten "ausreichend" und "zumutbar" sind:
- "Ausreichend" sind sie gemäss Merkblatt dann, wenn nach objektiven Kriterien andere Angebote zur Verfügung stehen, die die Bedürfnisse des Unternehmens ebenfalls angemessen befriedigen können.
- "Unzumutbar" sind sie, wenn diese aufgrund individueller Besonderheiten (wie beispielsweise spezifische Investitionen im Zusammenhang mit einer Geschäftsbeziehung) des abhängigen Unternehmens als Alternative ausscheiden.
Die Wettbewerbsbehörden stellen weiter klar, dass sich ein Unternehmen in der Regel nur auf die Vorschriften der relativen Marktmacht berufen kann, wenn es sich zuvor bereits erfolglos um zumutbare Ausweichmöglichkeiten bemüht hat.
Vorgehen in der Praxis
Weiter enthält das Merkblatt Ausführungen zum Umgang mit den neuen Bestimmungen in der Praxis und zum Verfahren.
Die WEKO bestätigt, dass sie nicht plant, die Umsetzung der neuen Bestimmungen grundsätzlich den Zivilgerichten zu überlassen. Vielmehr will sie eine führende Rolle einnehmen, sei es als Ansprechpartner, als Gutachter in Zivilverfahren oder als Untersuchungsbehörde bei öffentlichrechtlichen Untersuchungen. Damit will sie eine einheitliche Auslegung gewährleisten. Die Wettbewerbsbehörden künden jedoch an, dass sie sich auf Fälle konzentrieren wollen, die wichtige Rechtsfragen klären oder verbreitete Verhaltensweisen betreffen.
Das Verfahren in Bezug auf die relative Marktmacht läuft grundsätzlich gleich wie andere kartellrechtliche Verfahren. So plant die WEKO noch vor der Eröffnung einer Vorabklärung oder Untersuchung, dem angezeigten Unternehmen jeweils die Anzeige zur Kenntnis zu bringen und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Dies eröffnet dem beschuldigten Unternehmen die Möglichkeit, allenfalls noch vor weiteren Untersuchungshandlungen auf den Vorwurf zu reagieren und das fragliche Verhalten anzupassen.
Falls die WEKO einen Verstoss feststellt, kann sie dem Unternehmen Verhaltens- und Unterlassungspflichten auflegen wie z.B. eine Belieferungspflicht. Sanktionen sind jedoch nicht direkt bzw. erst im Wiederholungsfall möglich. Bei Unternehmen im Ausland weist die WEKO auf die Schwierigkeiten in Bezug auf die Durchsetzung hin und verweist auf die alternative Möglichkeit von Zivilklagen.
Meldeformular
Die Wettbewerbsbehörden haben ein Meldeformular publiziert, damit Unternehmen einen mutmasslichen Missbrauch von relativer Marktmacht unkompliziert anzeigen können. In diesem Formular sind Informationen zum betroffenen sowie zum mutmasslich relativ marktmächtigen Unternehmen anzugeben. Daneben sind das Abhängigkeitsverhältnis und der Vorwurf gegen- über dem mutmasslich relativ marktmächtigen Unternehmen detailliert zu beschreiben und es sind gegebenenfalls Beweismittel einzureichen.
Nennenswert ist, dass die WEKO auch nach Bemühungen fragt, die das betroffene Unternehmen unternommen hat, um die Abhängigkeit zu eliminieren resp. zu reduzieren. Das meldende Unternehmen hat zudem die Möglichkeit, ihr Einverständnis zur Offenlegung der Anzeige zu geben.
Kurzwürdigung
Der Zeitpunkt der Publikation und der Inhalt des Merkblatts, insbesondere das Meldeformular, bestätigen, dass die WEKO möglichst schnell klare Richtlinien zur Anwendung der relativen Marktmacht schaffen möchte.
Auch wenn es grundsätzlich begrüssenswert ist, dass die Wettbewerbsbehörden versuchen, mehr Klarheit und eine einheitliche Praxis zum Konzept der relativen Marktmacht zu fördern, nimmt der Erlass eines Merkblatts und Meldeformulars noch vor dem Inkrafttreten doch teilweise eine noch zu schaffende Praxis vorweg, ohne dass eine Äusserungsmöglichkeit von Drittparteien dazu bestand.
Die ersten Fälle werden zeigen, wie weit die Wettbewerbsbehörden gewillt sind, in die Vertragsfreiheit der Unternehmen einzugreifen.
Für weitere Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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