ZURICH
Brandschenkestrasse 24
CH-8027 Zurich
GENEVA
Route de Chêne 30
CH-1211 Geneva 6
LAUSANNE
Avenue de Rhodanie 40C
CH-1007 Lausanne
Revision des schweizerischen Kartellgesetzes: Bundesrat legt Gesetzesentwurf vor

Revision des schweizerischen Kartellgesetzes: Bundesrat legt Gesetzesentwurf vor

Die Schweizer Regierung strebt eine Teilrevision des Kartellgesetzes an. Nach Abschluss der Vernehmlassung hat der Bundesrat nun seinen Gesetzesentwurf veröffentlicht. Die Revision zielt darauf ab, die Fusionskontrolle zu modernisieren und das Kartellzivilrecht zu stärken. Der Gesetzesentwurf sieht bemerkenswerterweise auch die Wiedereinführung der Erheblichkeitsprüfung für Hardcore-Kartellabreden vor. Die Revision wird nun im Schweizer Parlament beraten. Das revidierte Kartellgesetz wird voraussichtlich nicht vor 2024 in Kraft treten.

Publiziert: 2 Juni 2023

Publiziert: 2 Juni 2023
Autoren

Marcel Meinhardt

Partner, Head of Competition

Astrid Waser

Partner

Benoît Merkt

Managing Partner, Head of Competition

Sevan Antreasyan

Partner, Head of Intellectual Property

Expertise Competition and Regulated Markets

Hintergrund

Der Bundesrat hat am 24. Mai 2023 seinen Gesetzesentwurf ("Entwurf") für eine Teilrevision des Kartellgesetzes ("KG") vorgelegt und die dazugehörige Botschaft verabschiedet. Der Entwurf knüpft weitgehend an die Vernehmlassungsvorlage vom November 2021 an. Die wichtigsten im Entwurf vorgeschlagenen Änderungen des Kartellgesetzes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Modernisierung der Fusionskontrolle

Übergang zum SIEC-Test

Wie in der Vernehmlassungvorlage des Bundesrates vom November 2021 übernimmt auch der Entwurf das Kriterium der signifikanten Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs ("SIEC-Test") als relevanten Massstab für die schweizerische Fusionskontrolle. Der Übergang vom Marktbeherrschungstest, auf den sich die Fusionskontrolle bisher stützte (d.h. ein Zusammenschlussvorhaben kann nur dann verboten oder unter Auflagen und Bedingungen zugelassen werden, wenn es eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, die den wirksamen Wettbewerb vollständig ausschaltet), zum SIEC-Test bringt das Schweizer Recht in Einklang mit der Praxis der Europäischen Union ("EU") in diesem Bereich.

Gemäss dem SIEC-Test kann die schweizerische Wettbewerbskommission ("WEKO") einen Zusammenschluss verbieten (oder unter Bedingungen oder Auflagen genehmigen), wenn die folgenden zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  • das Zusammenschlussvorhaben behindert den wirksamen Wettbewerb signifikant, insbesondere durch die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung.
  • das Zusammenschlussvorhaben führt nicht zu fusionsspezifischen Effizienzvorteilen für die Nachfrager, die überprüfbar und von den meldenden Unternehmen begründet sind sowie die Nachteile der signifikanten Behinderung des Wettbewerbs ausgleichen.

Mit dem SIEC-Test wird die derzeitige Schwelle für ein Eingreifen der WEKO gesenkt. Dies wird in Zukunft voraussichtlich zu strengeren Entscheidungen und möglicherweise zu einer höheren Anzahl von Untersagungen nationaler Zusammenschlüsse führen.

Neue Ausnahme von der Meldepflicht

Unter geltendem Recht müssen Zusammenschlussvorhaben, welche die Umsatzschwellen von Art. 9 Abs. 1 KG erreichen, der WEKO gemeldet werden. Der Entwurf sieht eine Ausnahme von dieser Meldepflicht für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse vor, wenn die beiden folgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  • sämtliche vom Zusammenschlussvorhaben betroffenen sachlichen Märkte sind räumlich so abzugrenzen, dass sie die Schweiz und zumindest den Europäischen Wirtschaftsraum ("EWR") umfassen. Betrifft das Zusammenschlussvorhaben mindestens einen Markt, der geografisch auf die Schweiz beschränkt ist, bleibt die Meldepflicht bestehen.
  • das geplante Zusammenschlussvorhaben muss von der Europäischen Kommission geprüft werden. Wenn das Zusammenschlussvorhaben nicht bei der Europäischen Kommission gemeldet wird, gilt die Ausnahme von der Meldepflicht nicht.

Der Entwurf zielt darauf ab, eine parallele Doppelprüfung durch die WEKO und die Europäische Kommission zu vermeiden. In der Praxis dürfte es allerdings schwierig werden, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob alle sachlich relevanten Märkte auch den EWR umfassen, da die WEKO in ihren Entscheidungen oft keine abschliessende Definition des räumlichen Marktes vornimmt.

Stärkung des Kartellzivilrechts

Der Entwurf sieht eine Ausweitung der zivilrechtlichen Klageberechtigung auf alle Personenvor, deren wirtschaftliche Interessen durch eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung bedroht oder beeinträchtigt werden, einschliesslich der Konsumenten und der öffentlichen Hand.

Sodann wird eine Verjährungshemmung von zivilrechtlichen Ansprüchen aus unzulässiger Wettbewerbsbeschränkung für die Zeit von der Untersuchungseröffnung durch die WEKO bis zum rechtskräftigen Entscheid eingeführt.

Darüber hinaus zielt der Entwurf darauf ab, die freiwillige Wiedergutmachung gegenüber durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen Geschädigten zu fördern und spiegelt damit die jüngste Praxis der WEKO in diesem Bereich wider. Demnach sollen freiwillige Schadenersatzzahlungen und Entschädigungen für immaterielle Schäden sowie die freiwillige Rückgabe von unrechtmässig erzielten Gewinnen bei der Festlegung der Sanktionshöhe berücksichtigt werden können.

Es ist zu erwarten, dass die Stärkung des Kartellzivilrechts in Zukunft zu einem Anstieg der Schadensersatzklagen gegen betroffene Unternehmen führen wird.

Erläuterungen

  • Unzulässige Abreden nach Art. 5 KG: Wie in der Vernehmlassungsvorlage wird die Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Aspekte von Vereinbarungen zur Beurteilung der Erheblichkeit von Wettbewerbsbeschränkungen wieder eingeführt und damit die faktische Rechtslage vor dem Urteil des Bundesgerichts in der Rechtssache GABA wiederhergestellt. In seinem GABA-Urteil hatte das Bundesgericht festgestellt, dass alle horizontalen Preis-, Mengen- und Gebietsabsprachen (einschliesslich z.B. Einkaufsgemeinschaften) sowie vertikale Kernabsprachen eine erhebliche bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Der Entwurf sieht nun vor, dass solche Harcore-Kartellabreden in Zukunft wieder insbesondere auch unter quantitativen Gesichtspunkten geprüft werden müssen.
  • Geringfügige Verstösse: Der Entwurf führt das Opportunitätsprinzip bei geringfügigen Verstössen ein. Hiermit soll vermieden werden, dass sich die Wettbewerbsbehörden mit unbedeutenden Fällen befassen müssen.

Verfahrensänderungen

  • Widerspruchsverfahren: Der Entwurf verbessert das Widerspruchsverfahren, indem er den Unternehmen ermöglicht, der WEKO geplante Verhaltensweisen und Vereinbarungen zu melden, bevor sie umgesetzt werden. Eröffnen die Wettbewerbsbehörden innerhalb der Widerspruchsfrist keine Untersuchung, erlischt das unmittelbare Sanktionsrisiko für die Unternehmen im Zusammenhang mit dem gemeldeten Sachverhalt endgültig. Darüber hinaus wird die Widerspruchsfrist von fünf auf zwei Monate verkürzt.
  • Ordnungsfristen: Der Entwurf führt spezifische Fristen für Wettbewerbsbehörden und die Beschwerdeinstanzen ein, die auf dem Grundsatz "comply or explain" beruhen. Durch diese Fristen sollen die Kartellverfahren beschleunigt werden.
  • Parteientschädigung: Der Entwurf führt eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren vor der WEKO ein. Wird die Untersuchung (ganz oder teilweise) eingestellt, kann den Unternehmen, gegen die ein unbegründeter Verdacht bestand, gemäss Entwurf eine Entschädigung zugesprochen werden.

Ausblick

Der Entwurf wird nun im Schweizer Parlament beraten, welches noch Änderungen vorschlagen kann. Das revidierte Kartellgesetz wird voraussichtlich nicht vor 2024 in Kraft treten.

Für weitere Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Rechtlicher Hinweis: Der Inhalt dieses Update Newsflash ist allgemeiner Natur und stellt keine Rechtsauskunft dar. Bei Fragen zur für Sie relevanten rechtlichen Ausgangslage stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Reden wir

Marcel Meinhardt

Partner, Head of Competition, Zurich

marcel.meinhardt@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 80 00

Astrid Waser

Partner, Zurich

astrid.waser@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 80 00

Benoît Merkt

Managing Partner, Head of Competition, Geneva

benoit.merkt@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 70 00

Sevan Antreasyan

Partner, Head of Intellectual Property, Geneva

sevan.antreasyan@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 70 00