Homeoffice von Grenzgängern - Ein neues Sozialversicherungsabkommen erleichtert die Telearbeit zwischen der Schweiz und einigen EU/EFTA-Staaten
Die Schweiz und einige EU- und EFTA-Staaten haben ein neues Rahmenübereinkommen über die sozialversicherungsrechtlichen Unterstellungsregeln unterzeichnet, um die grenzüberschreitende Telearbeit zu erleichtern. Dieses Rahmenübereinkommen wird von der Schweiz ab dem 1. Juli 2023 angewendet und ermöglicht Grenzgängern, bis zu 49.9% ihrer Arbeitszeit als Telearbeit / Homeoffice in ihrem Wohnsitzstaat zu leisten, wobei die Zuständigkeit für die Sozialversicherung beim Sitzstaat des Arbeitgebers verbleibt.
Publiziert: 3 Juli 2023
Counsel, Head of Employment, Pensions and Immigration
Partner, Co-Head of Employment, Pensions and Immigration
Counsel
Publiziert: 3 Juli 2023 | ||
Autoren |
Sara Rousselle-Ruffieux |
Counsel, Head of Employment, Pensions and Immigration |
Matthias Oertle |
Partner, Co-Head of Employment, Pensions and Immigration |
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Franziska Stadtherr-Glättli |
Counsel |
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Expertise |
Employment, Pensions and Immigration |
Kurzer Überblick über die Situation bis zum 30. Juni 2023
Im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (FZA) oder des EFTA-Übereinkommens sind Arbeitnehmer, die Staatsangehörige der betreffenden Staaten sind, grundsätzlich dem Sozialversicherungssystem desjenigen Staates unterstellt, in dem sich ihr Arbeitsort befindet. Somit sind Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten, dem schweizerischen Sozialversicherungssystem unterstellt.
Wenn der Arbeitnehmer jedoch einen Teil seiner Tätigkeit auch in seinem Wohnsitzstaat ausübt und dieser Teil mehr als 25% seiner Tätigkeit ausmacht, so ändert sich die Versicherungspflicht und der Arbeitnehmer wird dem Sozialversicherungssystem des Wohnstaats unterstellt. Diese Unterstellungsregel gilt auch für Grenzgänger, die am Wohnort im Homeoffice arbeiten.
Seit den Einschränkungen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie haben diese sozialversicherungsrechtlichen Unterstellungsregeln jedoch eine flexible Anwendung erfahren, die in der Guidance Note on telework der Europäischen Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (CACSSS) zum Ausdruck kommt. Aufgrund dieser flexiblen Anwendung konnten die schweizerischen Ausgleichskassen davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Wohnsitzstaat aus Telearbeit leistete (selbst zu 100%), weiterhin den schweizerischen Sozialversicherungen unterlag (Sitzstaat des Arbeitgebers). Eine A1-Bescheinigung war in diesen Situationen grundsätzlich nicht erforderlich.
Diese Ausnahme von den allgemeinen Unterstellungsregeln zugunsten der Telearbeit / Homeoffice von Grenzgängern war jedoch bis zum 30. Juni 2023 befristet.
Neues Rahmenübereinkommen ab dem 1. Juli 2023
Um die Praxis der Telearbeit / Homeoffice auch nach dem 30. Juni 2023 zu erleichtern, wurde von einer Ad-hoc-Gruppe, die von der Europäischen Kommission und der CACSSS eingesetzt wurde, ein Rahmenübereinkommen ausgearbeitet. Dieses Rahmen Rahmen- übereinkommen, dessen Rechtsnatur nicht klar definiert ist, ändert jedoch nichts an den allgemeinen Unterstellungsregeln, die sich aus dem FZA ergeben. Es bindet nur diejenigen Staaten, die es unterzeichnet haben, d. h. bis zum 3. Juli 2023: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, die Slowakei, die Schweiz, Spanien und die Tschechische Republik. Andere Staaten haben ihre Absicht bekundet, die Vereinbarung ebenfalls anzuwenden (insbesondere Estland, Ungarn, Irland, Litauen), haben sie aber noch nicht unterzeichnet. Das Vereinigte Königreich hingegen hat angekündigt, dass es die Vereinbarung nicht unterzeichnen werde.
Gemäss dem Rahmenübereinkommen müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein, damit die Telearbeit nicht den Staat der Sozialversicherungspflicht ändert:
a) Wohnen und Arbeiten in zwei Unterzeichnerstaaten
Wichtig ist, dass die Ausnahmen von den allgemeinen Unterstellungsregeln nur zwischen Unterzeichnerstaaten gelten. Es ist also erforderlich, dass der Arbeitnehmer in einem Unterzeichnerstaat wohnt und für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Unterzeichnerstaat arbeitet.
b) Begrenzung der Telearbeit auf 50%
Weiter gelten die Ausnahmeregelungen nur für Arbeitnehmer, die bis zu 50 % grenzüberschreitende Telearbeit in ihrem Wohnsitzstaat leisten (d. h. höchstens 49,9 % der Gesamtarbeitszeit).
Diese Grenze wird für einen Zeitraum von 12 Monaten berechnet. Die Grenze von 49,9% darf durchaus in einem Monat oder einer Woche überschritten werden, wenn sich dies auf das Jahr hinaus wieder ausgleicht.
c) Begrenzung der Art der Telearbeit
Eine weitere wichtige Bedingung ist, dass der Arbeitnehmer über eine IT-Verbindung mit dem Arbeitgeber verbunden sein muss. Rein manuelle Arbeit (z. B. Handarbeit an Uhren) fällt nicht unter Telearbeit, wie sie im Rahmenübereinkommen definiert ist.
Diese elektronische Verbindung muss vorhanden sein und üblicherweise genutzt werden. Es wird jedoch nicht verlangt, dass 100 % der Arbeit per Computer erledigt wird. Beispielsweise fällt das Lesen von gedruckten Dokumenten oder die Benotung von Schülerarbeiten durch einen Lehrer ebenfalls unter den Begriff der Telearbeit gemäss der Definition im Rahmenübereinkommen.
d) Nichtanwendbarkeit in bestimmten Situatione
Das Rahmenübereinkommen ist auf folgende Situationen nicht anwendbar:
- Auf Personen, die im Wohnsitzstaat auch eine andere Tätigkeit als Telearbeit ausüben (z. B. Kundenbesuche, selbstständige Nebentätigkeit);
- Personen, die neben ihrem Wohnsitzstaat, der das Abkommen unterzeichnet hat, und der Schweiz auch in anderen EU- bzw. EFTAStaaten eine Erwerbstätigkeit ausüben;
- Personen, die zusätzlich zu ihrer Tätigkeit für ihren Schweizer Arbeitgeber auch für einen anderen Arbeitgeber in der EU bzw. der EFTA arbeiten;
- Selbstständig Erwerbstätige.
e) Notwendigkeit, eine A1-Bescheinigung zu beantragen
Zu beachten gilt, dass die Anwendung des Rahmenübereinkommens nicht automatisch erfolgt. Um davon zu profitieren, müssen Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz bei ihrer AHV-Ausgleichskasse über die Plattform Applicable Legislation Portal Switzerland (ALPS) eine A1-Bescheinigung beantragen.
Diese Plattform wird derzeit aktualisiert. Laut dem Bundesamt für Sozialversicherungen ist es möglich, dass diese Plattform ab dem 1. Juli 2023, dem Datum des Inkrafttretens des Rahmenübereinkommens in der Schweiz, möglicherweise nicht genutzt werden kann. Die Bescheinigung kann jedoch gemäss den Bedingungen des Rahmenübereinkommens rückwirkend ab dem 1. Juli 2023 beantragt werden, wenn der Antrag bis Ende Juni 2024 eingereicht wird.
Die so erhaltene A1-Bescheinigung hat eine maximale Gültigkeit von drei Jahren und kann verlängert werden.
Sonstige relevante Punkte
Wie bereits erwähnt, gilt das Rahmen- übereinkommen nur zwischen Unterzeichnerstaaten. Bei grenzüberschreitender Telearbeit, an der ein Staat beteiligt ist, der das
Rahmenübereinkommen nicht unterzeichnet hat (Sitzstaat des Arbeitgebers oder Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers), werden ab dem 1. Juli 2023 wieder die vor der Pandemie geltenden Regeln und Verfahren angewendet, sofern keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden.
Das bedeutet, dass insbesondere die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 oder die eines anderen Sozialversicherungsabkommens zu prüfen ist. Wenn die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 anwendbar ist, wird die Sozialversicherungspflicht in den Wohnsitzstaat wechseln, wenn die Tätigkeit in diesem Staat (einschliesslich Telearbeit) 25% übersteigt.
Nicht geregelt werden im Rahmen- übereinkommen die steuerlichen Aspekte der grenzüberschreitenden Telearbeit. Diese müssen immer gesondert analysiert werden. Die anwendbaren steuerlichen Vorschriften können in bestimmten Fällen dazu führen, dass ein niedriger Schwellenwert als 49.9% für Telearbeit angewandt wird.
Zudem empfiehlt sich vor der Einführung einer grenzüberschreitenden Telearbeit insbesondere eine Analyse des anwendbaren Rechts, der möglichen Begründung eines Gerichtsstands, der ausländerrechtlichen Fragestellungen, der steuerrechtlichen Problematik einer Betriebsstätte sowie der datenschutzrechtlichen Aspekte vorzunehmen.
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Sara Rousselle-Ruffieux |
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