Meet the Team – Spannende Fälle der vergangenen Jahre
Publiziert: 19 Juli 2024
Partner, Head of Corporate and M&A, Co-Head of Capital Markets
Senior Counsel
Partner, Head of Competition
Partner, Co-Head of Intellectual Property
Publiziert: 19 Juli 2024 | |||||||||
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Tino Ruedi, du hast in deinem beruflichen Leben als langjähriger Leiter des Bereichs Corporate and M&A sicherlich einiges erlebt. Was ist dir aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?
Ruedi Es gab einige Meilensteine über all die Jahre. Eine Beratung, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist, ist diejenige der UBS beim "Grounding" der Swissair. In den letzten zehn Jahren sind es aber wohl vier Mandate, die ich herausstreichen würde: Das erste war die Betreuung des Hauptaktionärs eines Startups, welches später an die Börse gebracht wurde (Sensirion). Ein weiteres Mandat, welches ich erwähnen möchte, war die Beratung der Familienaktionäre der Roche beim Rückkauf von Roche-Anteilen von Novartis. Unsere Rolle in dieser Sache war in erster Linie sicherzustellen, dass durch den Rückkauf keine Angebotspflicht der Familienaktionäre ausgelöst wird. Als sehr spannend erwies sich das Schiedsverfahren, in welchem wir auf der Seite von Alpiq gegen Bouygues tätig waren, und schliesslich ist die Beratung des Verwaltungsrats und des Managements der Sika beim längsten Übernahmekampf der Schweizer Geschichte gegen Saint-Gobain zu erwähnen. Diese Mandate zeigen zudem die Vielfältigkeit des Bereichs Corporate und M&A, welche auch damit zusammenhängt, dass Transaktionsarbeit oft zum Kreuzpunkt verschiedenster Rechtsgebiete wird.
Tino Du gehörst zu den bekanntesten M&A-Anwälten der Schweiz. Das von dir erwähnte Alpiq-Mandat war aber ein Schiedsverfahren – wie passt das zusammen?
Ruedi Das Schiedsgerichtswesen hat mich schon immer interessiert. Recht schnell hatte ich, aufgrund der damaligen Mandatslage, den Zugang dazu erhalten und war sowohl als Parteivertreter als auch als Schiedsrichter tätig. Später konzentrierte sich meine Tätigkeit in diesem Bereich in erster Linie auf M&A-Streitigkeiten – so wie im Alpiq Fall. In dieser Sache ging es um eine Forderung von Bouygues von CHF 300 Millionen nach dem Kauf eines Geschäftszweiges der Alpiq. Bouygues berief sich auf eine Kaufpreisanpassung bzw. Verletzungen von Gewährleistungspflichten seitens Alpiq. Wir haben Alpiq neben Homburger beraten. Erfahrungen aus den Schiedsgerichtsfällen sind nicht zuletzt allgemein hilfreich für Verhandlungen und Vertragsredaktion, heisst es doch manchmal – etwas sarkastisch – "nach dem Closing ist vor dem Schiedsverfahren".
Tino Du hast auch Sika erwähnt – Das war wohl der prägendste Fall der letzten zehn Jahre? Um was ging es da und was war deine bzw. unsere Rolle?
Ruedi Der damalige Hauptaktionär der Sika, der zwar nur ca. 16% Aktienanteile, aber mehr als 50% der Stimmrechte innehatte, verkaufte seine Anteile an die französische Compagnie de Saint-Gobain. Der Verwaltungsrat und das Management wurden darüber an einem Freitagabend nach Unterzeichnung des Vertrags informiert. Die Verwaltungsräte und das Management haben sich über das folgende Wochenende formiert und positioniert. Sie kamen zum Schluss, dass ein solcher Verkauf nicht im Gesellschaftsinteresse lag. Entsprechend setzten sie sich zur Wehr. Dass sich Verwaltungsrat und Management, die im Verkauf nicht involviert waren, gegen diesen wehren, ist schweizweit fast ohne Präzedenz. Der Übernahmekampf war intensiv und dauerte fast vier Jahre. Wir waren von Anfang an die Hauptberater des Verwaltungsrats und des Managements und dadurch in alle Bereiche des Falles involviert. Für mich persönlich, und wohl auch für die involvierten Verwaltungsräte, Manager und Berater blieb wenig Raum für andere Aufgaben. Wir standen praktisch 24/7 zur Verfügung. Der Kampf barg zudem viele Risiken. Die involvierten Verwaltungsräte und Manager waren jedoch bereit, im Interesse der Gesellschaft persönliche Risiken auf sich zu nehmen. Ihre Überzeugung, dass Sika auf selbständiger Basis erfolgreicher sein würde, hat sich später – nach gelungener Abwehr der Übernahme – bewahrheitet. Meines Wissens findet sich weltweit kein vergleichbarer Übernahmekampf, in dem die Zielgesellschaft so lange durchgehalten hat und gleichzeitig wirtschaftlich so erfolgreich war.
Tino In diesen Fall waren Spezialist:innen aus verschiedenen Bereichen unserer Kanzlei involviert. Neben M&A in erster Linie Litigation aber auch Kartellrecht. Letzteren Bereich leitest du, Marcel. Inwieweit überschneidet sich deine Tätigkeit mit derjenigen von Ruedi?
Marcel Ich persönlich kam ursprünglich aus dem M&A-Bereich. Irgendwann habe ich meinen Fokus dann aber auf das Kartellrecht gelegt. Natürlich gibt es einige Überschneidungen, vor allem natürlich bei der Fusionskontrolle. Ein Fall, der mir immer noch nahegeht, ist einer, den ich verloren hatte – es schmerzt immer noch (lacht). TDC mandatierte uns, um sie beim Verkauf der Sunrise an France Télécom zu unterstützen. Das Mandat war sehr anspruchsvoll, auch wegen der involvierten Personen. Damals lernte ich auch den mittlerweile verstorbenen (damaligen) CEO der Swisscom, Carsten Schloter, kennen – eine sehr interessante Persönlichkeit. Leider verbot die WEKO den Zusammenschluss und der Deal platzte.
Tino In der Schweiz hat die WEKO erst sehr wenige Fusionen verboten, oder?
Marcel Ja, es waren erst drei – das macht das Ganze nicht einfacher (lacht).
Tino Was waren klassische kartellrechtliche Fälle, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Marcel Zum einen war das sicherlich der Elmex-Fall, der auch heute noch, rechtlich gesehen, in aller Munde ist, und bei dem wir den Hersteller Colgate Palmolive (damals Gaba) kartellrechtlich beraten hatten. In diesem Fall wandte sich Denner an die WEKO und behauptete, dass sie beim Versuch, Elmex beim österreichischen Lizenznehmer der Zahnpasta (Gebro) zu beziehen, gescheitert waren. Die WEKO – und letztlich auch das Bundesgericht – gelangten dabei zum Schluss, dass der Lizenzvertrag, der ein Exportverbot der Zahnpasta beinhaltete, den Schweizer Markt abschotte und eine unzulässige vertikale Abrede im Sinne des Schweizer Kartellgesetzes (KG) darstelle. Bis heute habe ich Zweifel, ob das Bundesgericht hier richtig entschieden hat. Das Urteil war aber für das Schweizer Kartellrecht richtungsweisend.
Mit am interessantesten sind Hausdurchsuchungen der WEKO. Diese kommen eher selten vor. In einem Fall war Implenia im Zusammenhang mit dem Bündner Baukartell betroffen. Diesen Fall, der auch medial viel Aufmerksamkeit auf sich zog, durften wir begleiten und konnten potenzielle finanzielle Schäden für Implenia in Millionenhöhe abwenden. Und ebenso spannend finde ich Marktbeherrschungsfälle. So konnten wir Swisscom bei ihrer Beschwerde vor Bundesverwaltungs- und Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Entscheid der WEKO betreffend die WAN-Ausschreibung der Post vertreten. Die WEKO war der Meinung, die Swisscom habe dabei ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt. Sie büsste Swisscom mit über 7 Millionen Franken, welche das Bundesverwaltungsgericht später bestätigte. Das Bundesgericht hat die Beschwerde unserer Klientin gegen dieses Urteil jedoch diesen Frühling gutgeheissen. Das war ein Highlight – der erste Entscheid des Bundesgerichts seit über 20 Jahren, bei welchem es einen Entscheid der WEKO gänzlich aufgehoben hatte. Auch dieses Urteil wird die Kartellrechtspraxis in der Schweiz prägen.
Tino Betrifft die Beratung im Kartellrechtsbereich nur den Schweizer Markt oder gibt es auch internationale Mandate?
Marcel Wir beraten viele Klienten mit Vertriebssysteme (zum Beispiel Chanel) auch zu europäischem Recht. In der EU ist zwar vieles in diesem Bereich reguliert, es gibt aber immer wieder Möglichkeiten, europaweite Vertriebssysteme mitzubeeinflussen und mitzugestalten. Auch bei internationalen Firmenübernahmen tauchen immer wieder kartellrechtliche Fragen auf, vor allem zur Meldepflicht, bei denen wir über das Schweizer Recht hinaus unterstützen.
Tino Kommen wir zu dir, Jürg. Du bist Co-Leiter des Bereichs Intellectual Property (geistiges Eigentum). Wann kommt euer Team zum Einsatz?
Jürg Der Rechtsbereich des geistigen Eigentums wurde in den vergangenen Jahren immer wichtiger. Die entsprechenden Gesetze wurden in den 90er Jahren europaweit revidiert und die Bedeutung solcher Rechte innerhalb der Unternehmen nahm deutlich zu. Das geistige Eigentum eines Unternehmens steigert dessen Wert entscheidend. Erwägt man, ein Unternehmen zu kaufen, muss immer auch geprüft werden, ob die angegebene Bewertung – auch des geistigen Eigentums – plausibel ist, ob diese Rechte rechtsbeständig sind und welche Risiken bei einem Kauf auf den Käufer übertragen werden. Hier ist unser Team regelmässig involviert. Ausserdem unterstützen wir Klienten beim Aufbau und bei der Verteidigung und Durchsetzung ihrer Rechte am geistigen Eigentum. Etwa 50% unserer Tätigkeit ist reine Beratung, die anderen 50% betreffen die Prozessführung auf diesem Gebiet.
Tino Welche Situationen sind dir dabei besonders im Gedächtnis geblieben?
Jürg Einerseits war es der Börsengang der On Holding an der New Yorker Börse (NYSE), bei der auch viele IP-Aspekte relevant waren. In der Vergangenheit hatten wir auch mit einigen Portfolios bekannter Musiker:innen zu tun. Diese Portfolios werden heutzutage rechtlich sehr gut geschützt und die Künstler:innen dadurch finanziell abgesichert. Im prozessrechtlichen Bereich waren wir an einigen Fällen beteiligt, welche die künftige Rechtsprechung beeinflussen werden. Beispielsweise haben wir einen grossen deutschen Autohersteller in einem Zivilprozess gegen einen Schweizer Kläger im Zusammenhang mit lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen im Zuge des Dieselskandals erfolgreich vertreten. In einem weiteren Fall durften wir Apple bis vor Bundesgericht beim Schutz ihrer Kernmarke erfolgreich vertreten. Ausserdem vertraten wir Apple erfolgreich in einem Patentprozess in der Schweiz, der gegen den Konzern geführt wurde. In diesem Fall ging es um die Technologie der Übermittlung von Zeichen von einem iPhone auf ein anderes (z.B. Emojis).
Ebenfalls interessant ist der Schutz der Ursprungsbezeichnung Champagne, bei der wir den französischen Produzentenverband CIVC seit 25 Jahren vertreten. In den bilateralen Verträgen mit der EU von 1999 wurde der Schutz dieser Bezeichnung gestärkt und klar definiert, dass nur französische Winzer aus dem entsprechenden Gebiet den Namen Champagner verwenden dürfen. Am Neuenburgersee gibt es jedoch eine Gemeinde mit dem Namen Champagne, die nicht einverstanden war, den Gemeindenamen nicht mehr für den rund um ihr Dorf produzierten Wein verwenden zu dürfen. Die Gemeinde klagte erst beim Europäischen Gerichtshof gegen die EU-Kommission und später auch noch mittels einer Staatshaftungsklage in der Schweiz – beide Versuche scheiterten. In zwei weiteren Verfahren konnten wir vor kurzem die Regelung des bilateralen Abkommens mit der EU für das CIVC am Bundesgericht erfolgreich durchsetzen. Dieser Fall wird die Rechtsprechung in diesen Fragen über Jahrzehnte prägen – das macht ihn auch für mich zu einem der spannendsten Fälle der vergangenen Jahre.
Tino Was hat sich in den letzten 10 Jahren in euren Bereichen verändert und sind sie überhaupt noch relevant?
Marcel Was ich immer wieder höre und sehe ist, dass das Kartellrecht ausgedehnt wird. Zu sehen ist dies vor allem auch bei den zahlreichen Fällen gegen Facebook in Deutschland. Der Konsumentenschutz steht immer mehr im Vordergrund. Das Kartellrecht wird also sicherlich auch weiterhin relevant sein. Der Schutz der Individuen und der Daten wird immer mehr im Vordergrund stehen.
Tino Jürg, wie steht es um das geistige Eigentum?
Jürg Auch in unserem Bereich sehe ich eher Wachstum und Verbreiterung als Rückgang. Wir erleben im Moment im Zusammenhang mit KI ein massives "Revival" des Urheberrechts (Copyright). Dieses hatte in den vergangenen Jahrzehnten eher ein Mauerblümchendasein gefristet und steht nun wieder im Zentrum des Interesses. Dies, weil bis jetzt keine genügend klaren Regelungen bestehen und zuweilen unklar ist, was diese KI-Tools wirklich produzieren, woher die Informationen stammen, ob das Training der KI-Tools allenfalls Urheberrechte verletzt und wer urheberrechtlichen Anspruch auf die Ergebnisse hat. Die ersten grossen Verfahren in diesem Zusammenhang laufen gerade in den USA (zum Beispiel New York Times vs. OpenAI und Microsoft). Je nach Ausgang dieser Prozesse wird die Entwicklung möglicherweise dazu führen, dass die Ausnahmen des Urheberrechtsschutzes, die heute bereits für "Data Mining" für Forschungszwecke existieren, ausgeweitet oder zumindest überdacht werden.
Ruedi Im M&A-Bereich sehe ich keine riesigen Veränderungen auf uns zukommen. Natürlich wird die zunehmende Regulierung den Beratungsbedarf steigern. Der Trend zu Transaktionen, die später zu Gerichtsfällen führen, wird wohl anhalten und vielleicht sogar noch zunehmen. Grosse Veränderungen kommen aber vermutlich in der Arbeitsweise auf uns zu. Wie sehr KI diese verändern wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau abschätzen.
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