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Schiedsrecht: Das Swiss Arbitration Centre führt eine ergänzende Schiedsordnung für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ein

Schiedsrecht: Das Swiss Arbitration Centre führt eine ergänzende Schiedsordnung für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ein

Anlässlich der Einführung des neuen Artikels 697n des Schweizerischen Obligationenrechts ("OR"), der die Aufnahme einer Schiedsklausel in die Statuten von bestimmten schweizerischen Gesellschaftsformen ermöglicht, hat das Swiss Arbitration Centre eine ergänzende Schiedsordnung für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (die "Ergänzende Schiedsordnung") erlassen. Diese Ergänzende Schiedsordnung konkretisiert und passt die Internationale Schweizerische Schiedsordnung ("Schiedsordnung") für die Administrierung und Durchführung von Schiedsverfahren über gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten an.

Publiziert: 21 Dezember 2022

Autoren
Partner, Head of Arbitration

H. Wehland

Partner, Head of Litigation and Arbitration
Publiziert: 21 Dezember 2022
Autoren

Xavier Favre-Bulle

Partner, Head of Arbitration

H. Wehland

Harold Frey

Partner, Head of Litigation and Arbitration

Fadri Lenggenhager

Counsel

Expertise Litigation and Arbitration

Hintergrund

Ab dem 1. Januar 2023 ermöglicht ein neuer Artikel 697n OR den in der Schweiz eingetragenen Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, eine Schiedsklausel für "gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten" in ihre Statuten aufzunehmen. Die Statuten können auch die Besonderheiten des Schiedsverfahrens regeln, wie z. B. die Modalitäten der Mitteilungen bezüglich des Schiedsverfahrens, die Beteiligung Dritter am Verfahren, die Bestellung des Schiedsgerichts sowie die Erwirkung vorläufiger Massnahmen. In jedem Fall haben sie dafür zu sorgen, dass “Personen, die von den Rechtswirkungen des Schiedsspruchs unmittelbar betroffen sein können”, über die Einleitung und Beendigung des Verfahrens informiert werden und an der Bestellung der Schiedsrichter und am Schiedsverfahren als Intervenienten teilnehmen können.

Schiedsverfahren, die sich auf eine statutarische Schiedsklausel im Sinne von Artikel 697n OR stützen, müssen ihren Sitz in der Schweiz haben. Es gelten zudem von Rechts wegen die Bestimmungen über die innerstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit gemäss dem 3. Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung, unter ausdrücklichem Ausschluss der Bestimmungen über die internationale Schiedsgerichtbarkeit im 12. Kapitel des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht.

Um die Schiedsordnung für die Administrierung und Durchführung von Schiedsverfahren in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten zu ergänzen, hat das Swiss Arbitration Centre eine Ergänzende Schiedsordnung und Erläuterungen erlassen, die den Hintergrund erklären und Informationen zur Anwendung der Ergänzenden Schiedsordnung enthalten. Der Inhalt der ergänzenden Schiedsordnung kann wie folgt zusammengefasst werden:

Statutarische Musterschiedsklausel

Die Ergänzende Schiedsordnung enthält eine auf der Musterschiedsklausel der Schiedsordnung basierende statutarische Musterschiedsklausel, die in die Statuten von juristischen Personen übernommen werden kann, welche gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten mittels Schiedsverfahren erledigen möchten. Die statutarische Musterschiedsklausel enthält sowohl empfohlene Inhalte (Bestimmungen zum Anwendungsbereich der statutarischen Schiedsklausel, dem Sitz des Schiedsverfahrens sowie der Sprache des Schiedsverfahrens), als auch mögliche zusätzliche Inhalte, die Gesellschaften je nach ihren Präferenzen in ihre statutarische Schiedsklausel aufnehmen können (z.B. Bestimmungen zur standardmässigen Bestellung des Schiedsgerichtes, zu den Kosten des Schiedsverfahrens oder zum Ausschluss des dringlichen Rechtschutzes nach Artikel 43 der Schiedsordnung).

Anwendungsbereich der Ergänzenden Schiedsordnung für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten

Um die Kohärenz mit der Terminologie des Obligationenrechts sicherzustellen, wurde der Begriff der "gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit" in der Ergänzenden Schiedsordnung nicht definiert, stattdessen wird direkt auf den Begriff in Artikel 697n OR zurückgegriffen.

Die Ergänzende Schiedsordnung gilt für statutarische Schiedsklauseln in den Statuten von in der Schweiz registrierten Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Nichtsdestotrotz können andere Gesellschaftsformen, wie Vereine und Genossenschaften, die Ergänzende Schiedsordnung für anwendbar erklären, indem sie in ihrer statutarischen Schiedsklausel ausdrücklich erklären, dass gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Ergänzenden Schiedsordnung unterstellt werden sollen. Die Ergänzende Schiedsordnung ist jedoch nicht auf Schiedsverfahren anwendbar, die auf vertraglichen Schiedsklauseln beruhen, es sei denn, die vertragliche Schiedsklausel sieht etwas Anderes vor.

Die Beteiligung von Personen, die von der Rechtswirkung des Schiedsspruchs betroffen sind

Manche gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten können eine Vielzahl von Akteuren betreffen und Rechtswirkung für andere Personen als Kläger und Beklagte haben. Die Ergänzende Schiedsordnung ermöglicht es, Dritte auf verschiedene Weise in das Schiedsverfahren einzubeziehen. Eines der Hauptziele der Ergänzenden Schiedsordnung ist die Umsetzung von Artikel 697n Absatz 3 OR. Diese Bestimmung verlangt, dass Personen, die von den Rechtsfolgen eines Schiedsspruchs unmittelbar betroffen sein können (die "Betroffenen"), über die Einleitung und den Abschluss des sie betreffenden Schiedsverfahrens informiert werden. Die Ergänzende Schiedsordnung sieht vor, dass die Mitteilung über die Einleitung eines Schiedsverfahrens innerhalb einer kurzen Frist erfolgen muss, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihre Mitwirkungsrechte tatsächlich wahrzunehmen. Dadurch wird sichergestellt, dass das Schiedsverfahren trotz der Beteiligung mehrerer Parteien effizient abgewickelt werden kann.

Die Bestellung des Schiedsgerichts richtet sich nach den Artikeln 10 und 11 der Schiedsordnung. Personen, die glaubhaft machen können, dass sie Betroffene sind, haben zwar kein Recht, selbst ein Mitglied des Schiedsgerichts zu bestimmen. Sie können jedoch Bemerkungen und Einwände bezüglich der Bestellung des Schiedsgerichtes vorbringen. Machen Betroffene von ihrem Recht Gebrauch, zur Bestellung des Schiedsgerichts Stellung zu beziehen, führt dies jedoch nicht zu einem Mehrparteienverfahren nach der Schiedsordnung, da die Ausübung dieses Rechts die jeweils betroffene Person nicht automatisch zu einer Partei des Verfahrens macht.

Bezüglich der Beteiligung von Dritten am Verfahren verweist die Ergänzende Schiedsordnung auf Artikel 6(4) der Schiedsordnung. Das Schiedsgericht muss insbesondere sicherstellen, dass die Betroffenen ihre Rechte ordnungsgemäss ausüben können.

Schliesslich unterrichtet das Schiedsgericht auf Antrag Betroffene, die (noch) nicht Partei sind, über den Verlauf des Schiedsverfahrens. Das Schiedsgericht kann ihnen nach eigenem Ermessen auch Zugang zu bestimmten Informationen über das Schiedsverfahren gewähren, so dass sie in Kenntnis der Sachlage gegebenenfalls einen begründeten Antrag auf Teilnahme stellen können.

Vorläufige Massnahmen und dringlicher Rechtsschutz

Ein wirksamer vorläufiger Rechtsschutz kann bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten von besonderer Bedeutung sein. Die Ergänzende Schiedsordnung passt somit die Bestimmungen über vorläufige Massnahmen der Schiedsordnung an die Besonderheiten von gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten an. Insbesondere kann das Schiedsgericht oder das Dringlichkeitsschiedsgericht seine Entscheidung nach eigenem Ermessen aufschieben oder von einer Entscheidung über einen Antrag auf vorläufige Massnahmen absehen, wenn ein paralleler Antrag bei einer richterlichen Behörde anhängig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Antrag vor oder nach dem Antrag beim Schiedsgericht gestellt wurde. Die Ergänzende Schiedsordnung konkretisiert somit den Schiedsgerichten bereits nach der Schiedsordnung zustehenden weiten Ermessensspielraum bei der Behandlung von Anträgen auf vorläufige Massnahmen.

Ein weiterer Schritt in Richtung Modernisierung des schweizerischen Gesellschaftsrechts

Die Reform des Gesellschaftsrechts, die am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird, ist ein wichtiger Schritt zur Modernisierung des schweizerischen Gesellschaftsrechts. Mit der Einführung der virtuellen Generalversammlung, des Kapitalbands, der Festlegung des Aktienkapitals in Fremdwährung sowie weiteren Neuerungen werden schweizerische Gesellschaften über einen modernisierten Rechtsrahmen verfügen, der ihnen grössere Flexibilität gewährt. Die Möglichkeit, in den Statuten die Beilegung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren vorzusehen, ist ein weiteres Element dieser Modernisierung des schweizerischen Gesellschaftsrechts. Sie ermöglicht den Parteien, ihre Streitigkeiten durch spezialisierte Schiedsrichter bzw. Schiedsrichterinnen entscheiden zu lassen, und dabei gleichzeitig von der Vertraulichkeit und Schnelligkeit des Schiedsverfahrens zu profitieren. Mit der Einführung der Ergänzenden Schiedsordnung stellt das Swiss Arbitration Centre seinen Nutzern und Nutzerinnen einen verfahrensrechtlichen Rahmen zur Verfügung, der die Administrierung und Durchführung solcher Schiedsverfahren begünstigt.

Für weitere Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Rechtlicher Hinweis: Der Inhalt dieses Update Newsflash ist allgemeiner Natur und stellt keine Rechtsauskunft dar. Bei Fragen zur für Sie relevanten rechtlichen Ausgangslage stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Reden wir

Xavier Favre-Bulle

Partner, Head of Arbitration, Geneva

xavier.favre-bulle@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 70 00

H. Wehland

, Geneva

Tel: +41 58 450 70 00

Harold Frey

Partner, Head of Litigation and Arbitration, Zurich

harold.frey@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 80 00

Fadri Lenggenhager

Counsel, Zurich

fadri.lenggenhager@lenzstaehelin.com

Tel: +41 58 450 80 00