Neue ESG-Bestimmungen treten ab 1. Januar 2022 in Kraft
Nachdem die sog. Konzernverantwortungsinitiative in der Volksabstimmung vom letzten November am Ständemehr scheiterte, tritt nun per 1. Januar 2022 der indirekte Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe in Kraft. Nach Abschluss der Vernehmlassung veröffentlichte der Bundesrat am 3. Dezember 2021 zudem die entsprechende Verordnung zur Konkretisierung der neuen Sorgfaltspflichten in den Bereichen Kinderarbeit sowie Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten ("Konfliktmineralien"), die Bestandteil der Gesetzesänderungen sind. Sie finden erstmals auf das Geschäftsjahr 2023 Anwendung.
Publiziert: 14 Dezember 2021
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Partner, Head of Corporate and M&A, Co-Head of Capital Markets
Partner, Co-head of Investigations, Head of ESG
Partner, Head of Insolvency and Restructuring
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Publiziert: 14 Dezember 2021 | ||
Autoren |
Beat Kühni |
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Matthias Wolf |
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Tino Gaberthüel |
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Valérie Menoud |
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Roman Graf |
Partner, Head of Insolvency and Restructuring |
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François Meier |
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ESG |
Die als indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative verabschiedeten Änderungen des Obligationenrechts (OR) sollen Schweizer Unternehmen zu einem besseren Schutz von Mensch und Umwelt im In- und Ausland verpflichten. Dies jedoch ohne die strengen Haftungsbestimmungen der Konzernverantwortungsinitiative. Die entsprechenden Gesetzesänderungen sind bereits seit letztem Jahr bekannt und werden am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Im Kern geht es um:
- neue Berichterstattungspflichten über "nichtfinanzielle Belange" insbesondere in den Bereichen Umwelt, soziale Verantwortung und Menschenrechte, welche an die bestehende EURichtlinie 2014/95 (Corporate Social Responsibility-Richtlinie) angelehnt sind; und
- neue Sorgfalts- und Rechenschaftspflichten bezüglich Konfliktmineralien und zur Vermeidung von Kinderarbeit über die gesamte Lieferkette.
Der Bundesrat hat nun am 3. Dezember 2021 die ausführende Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeiten (VSoTr) publiziert, welche die vorgenannten Sorgfaltspflichten und deren Anwendungsbereich konkretisiert.
Betroffene Unternehmen
Im Unterschied zur Berichterstattungspflicht über "nichtfinanzielle Belange" betreffen die neuen Sorgfaltspflichten im Bereich Konfliktmineralien und Kinderarbeit nicht nur bedeutende kotierte Gesellschaften und von der FINMA beaufsichtigte Unternehmen. Sie gelten im Grundsatz für jedes Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, dessen Geschäftsfeld potentiell in Berührung mit Konfliktmineralien oder Kinderarbeit kommt, indem es:
- Mineralien (Erze und Konzentrate) oder Metalle, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthalten, aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten einführt oder in der Schweiz bearbeitet, oder
- Produkte oder Dienstleistungen anbietet, für die ein begründeter Verdacht besteht, dass sie von Kindern hergestellt oder erbracht wurden
Konkretisierter Anwendungsbereich
Die neue Verordnung präzisiert den Anwendungsbereich der vorgenannten Sorgfaltspflichten.
Für den Bereich Konfliktminieralien gilt Folgendes:
- Unterschreitet ein Unternehmen bestimmte Einfuhr- und Bearbeitungsmengen von Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltenden Mineralien und Metallen, ist es von den Sorgfaltsund Berichterstattungspflichten betreffend Konfliktmineralien befreit. Die Grenzwerte sind in Anhang 1 zur Verordnung mit den entsprechenden Zolltarifnummern aufgeführt.
- Was als Konflikt- und Hochrisikogebiet gelten soll, ist nun zwar in Art. 2. Abs. 1 lit. e der Verordnung definiert (gleicher Wortlaut wie in der EU-Verordnung 2017/821 über Konfliktmineralien). Allerdings lässt sich trotz der präzisierenden Definition nicht einfach bestimmen, welche Länder derzeit konkret als Konfliktund Hochrisikogebiete eingestuft sind. Als Ausgangspunkt für die Einstufung soll gemäss Erläuterungsbericht die unverbindliche Liste der "Conflict-Affected and High Risk Areas" dienen (aufrufbar unter www.cahraslist.net).
Dementsprechend haben Unternehmen, welche die vorerwähnten Einfuhrgrenzwerte überschreiten, regelmässig zu prüfen, ob der Ursprungsort der Mineralien und Metalle derzeit als Konfliktoder Hochrisikogebiet eingestuft ist. Liegt der Ursprungsort nicht in einem Konflikt- oder Hochrisikogebiet, ist dies begründet zu dokumentieren und das Unternehmen ist von weitergehenden Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit. Ansonsten kommen die Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten gemäss Gesetz voll zur Anwendung.
Im Bereich der Kinderarbeit präzisiert die Verordnung, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen von den neuen Sorgfaltspflichten freigestellt sind. Potenziell betroffene Unternehmen haben dazu drei Prüfschritte zu durchlaufen:
- Schwellenwerte: Erreicht ein Unternehmer die KMU-Schwellenwerte nicht, ist es von weiteren Abklärungen befreit. Die KMU-Schwellenwerte sind unterschritten, wenn das betroffene Unternehmen auf konsolidierter Basis zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren unterschreitet: Bilanzsumme von CHF 20 Millionen, Umsatzerlös von CHF 40 Millionen und 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.
- Risikoeinstufung: Falls das Unternehmen zwei der drei KMU-Schwellenwerte erreicht, hat es zu prüfen, ob es als "Unternehmen mit geringen Risiken im Bereich Kinderarbeit" gilt. Ein geringes Risiko liegt dann vor, wenn das Unternehmen in Ländern, deren "Due diligence response" von der UNICEF in ihrem "Children's Rights in the Workplace Index" als "Basic" eingestuft wird, selbst produziert bzw. aus jenen Ländern Produkte bezieht oder Dienstleistungen anbietet oder von dort bezieht. Gilt das Unternehmen gemäss diesem Test als "Unternehmen mit geringen Risiken im Bereich Kinderarbeit", ist es von weiteren Abklärungen befreit.
- Verdachtsprüfung: Sofern keine der vorerwähnten Ausnahmen anwendbar ist, hat das Unternehmen zu prüfen, ob in Bezug auf ein bestimmtes Produkt oder eine konkrete Dienstleistung ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht. Ergibt sich kein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit, ist das Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit. Diese Erkenntnis muss klar und begründet dokumentiert werden.
Schliesslich enthält die Verordnung noch eine Gegenausnahme zu den vorerwähnten Ausnahmen: Bietet das Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen an, die offensichtlich unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden, untersteht das Unternehmen ungeachtet des Ergebnisses der oben erwähnten drei Prüfungsschritte den Sorgfaltsund Berichterstattungspflichten. Mit "offensichtlich unter Kinderarbeit hergestellt oder erbracht" sind gemäss dem erläuternden Bericht zur Verordnung "krasse Fälle" gemeint, "die ins Auge springen" und von denen das Unternehmen "sicheres Wissen" hat.
Äquivalente internationale Standards
Die Verordnung enthält in Anhang 2 eine Liste der als gleichwertig geltenden internationalen Regelwerke und zwar sowohl in Bezug auf Konfliktmineralien als auch Kinderarbeit. Hält ein Unternehmen das internationale Regelwerk vollständig ein, ist es von den neuen Sorgfaltsund Berichterstattungspflichten gemäss OR befreit.
Ausblick
Auch Unternehmen, welche die Anwendungsvoraussetzungen für die neuen Sorgfaltspflichten per 1. Januar 2022 nicht erfüllen bzw. von einer Ausnahme profitieren, müssen die neuen Due diligence-Pflichten im Auge behalten. Die entscheidenden Parameter für die Anwendbarkeit der neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten sind dynamisch und passen sich laufend an, so etwa die Klassifizierung einer Region als Konflikt- oder Hochrisikogebiet bzw. deren Risikoeinstufung gemäss "Children's Rights in the Workplace Index" der UNICEF. Auch derzeit nicht betroffene Schweizer Unternehmen werden folglich in regelmässigen Abständen überprüfen müssen, ob sie von den neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten noch freigestellt sind und sie müssen die entsprechenden Befunde mit Begründung dokumentieren. Ebenso ist bei der Eingehung von neuen Geschäftsbeziehungen oder sonstigen Erweiterungen der Geschäftstätigkeit jeweils erneut zu prüfen, ob die Selbsteinstufung noch den Tatsachen entspricht.
Präzisierungen der Sorgfaltspflichten
Die Verordnung enthält weiter einige Präzisierungen zum konkreten Inhalt der Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Bereich Konfliktmineralien und Kinderarbeit. Im Zentrum steht insbesondere das gemäss Art. 964sexies Abs. 1 OR von betroffenen Unternehmen einzuführende Managementsystem entlang der Lieferkette. Das Managementsystem hat insbesondere die zwei folgenden Elemente zu enthalten, deren konkreter Inhalt nun von der Verordnung ausformuliert wird:
- Eine Lieferkettenpolitik für aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle und für Produkte oder Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht; und
- ein System der Rückverfolgbarkeit der Lieferkette.
Das Managementsystem muss durch einen Risikomanagementplan ergänzt werden, der die von dem Unternehmen angewandten Methoden beschreibt, um die Risiken schädlicher Auswirkungen der Geschäftstätigkeit in der Lieferkette zu ermitteln, analysieren und gewichten. Auch diesbezüglich finden sich Präzisierungen in der Verordnung.
Inkrafttreten
Die neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten gemäss indirektem Gegenvorschlag und neuer Verordnung (VSoTr) werden auf den 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Den betroffenen Unternehmen wird jedoch eine Übergangsfrist von einem Jahr gewährt, um sich auf die neuen Pflichten einzustellen, d.h., sie finden erstmals auf das Geschäftsjahr 2023 (bzw. das im Jahr 2023 beginnende Geschäftsjahr) Anwendung. Die betroffenen Unternehmen sollten jedoch bereits jetzt mit der Vorbereitung und Umsetzung der erforderlichen Massnahmen beginnen, um die neuen rechtlichen Anforderungen bis zu diesem Zeitpunkt zu erfüllen.
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